Der Feldhase, der Fuchs und ich
Manchmal gibt es diese Tage, an denen man fast magische Begegnungen hat, Tage an denen einfach alles passt.
An einem dieser Tage ging ich nach ein paar erfolglosen Ausflügen einen geschlungenen Feldweg entlang. Es war noch früh am Morgen, aber es war wunderbares Licht in goldener Morgensonne unter fast wolkenlosem Himmel. Zu beiden Seiten des Weges lagen Felder mit gut mannshohen Sonnenblumen. Überall summte und brummte es von Insekten. Wenn ich unterwegs bin, bewege ich mich möglichst lautlos, um Tiere nicht zu verschrecken und um auch leiseste Laute von Tieren überhaupt hören zu können. Auf einmal sprang unmittelbar vor mir ein Feldhase aus der Deckung und rannte den Feldweg entlang weg. Kurze Zeit später passierte das gleiche mit einem Reh. In solchen Situationen zeigt sich, wie perfekt die Tarnung dieser Tiere ist. Natürlich stellt sich immer neben der Faszination für diese Tiere ein Gefühl der Ernüchterung ein. Denn sie sind einfach häufig zu schnell weg, um von ihnen schöne Bilder machen zu können.
Nach gleich mehreren solcher Begegnungen in kurzer Zeit war ich trotzdem optimistisch und pirschte vorsichtig weiter.
Und plötzlich war er da: In einiger Entfernung saß der Feldhase auf dem Weg und schien mich zu beobachten. Ich ging langsam in die Hocke, um für den Hasen weniger bedrohlich zu wirken. Und auch, um die schwere Kamera auf einem Knie abstützen und ruhiger halten zu können. Wirklich bequem ist das allerdings nicht – und das ist noch positiv ausgedrückt. Um ehrlich zu sein, tut das nach einer Weile saumäßig weh. Der Hase war aber immer noch da und hoppelte auf dem Weg hin und her. Tatsächlich kam er nach einer Weile wieder ein Stück weit auf mich zu. Immer wieder suchte er dabei die Nähe der Bepflanzung auf, knabberte ein bisschen. Es wirkte aber eher wie eine Übersprungshandlung als wie eine ernsthafte Mahlzeit. Schließlich schien er sich erschreckt zu haben und rannte den Feldweg entlang fort. Ich wollte gerade schon meinen Schmerzen nachgeben und die unbequeme Position aufgeben – da war er plötzlich wieder da. Ich blieb also in der Hocke. Und beobachtete fasziniert, wie der Hase wieder langsam auf mich zukam. Das dauerte eine ganze Weile. Denn mein Hase zeigte dabei allerlei Übersprungshandlungen: Er streckte sich mitten auf dem Weg, knabberte hier und da ein bisschen am Bewuchs, kratzte sich. Gähnte – und rannte schließlich wieder weg.

Bevor ich aufstehen konnte, war er allerdings schon wieder da. Mitten auf dem Weg – und schon wieder auf dem Weg zu mir. Und wieder mit den beschriebenen Übersprungshandlungen. Irgendwie schien er genauso fasziniert von mir zu sein wie ich von ihm. Das Ganze Hin- und Her ging noch ein paarmal. Und jedesmal kam er ein bisschen näher heran, bevor er wieder Fersengeld gab. Bis er schließlich so nah war, dass ich Herauszoomen musste. Für Fotografieren war das absolut perfekt – Der Hase war zum Greifen nah und zeigte im schönsten Sonnenlicht viele verschiedene Posen.
Als ich zwischendurch einmal den Blick hob – alleine schon aus schmerztechnischen Gründen – traute ich meinen Augen kaum. War das etwa ein Fuchs? Ja, das war einer. Und er war genau an der Stelle aus dem Sonnenblumenfeld gekommen, wo vorher mein Hase saß. Heute glaube ich, dass die langsame Annäherung des Hasen an mich keineswegs Faszination war. Vielmehr wollte er wohl an mir vorbei – weg vom Fuchs. Und er hat so scheinbar ausgelotet, ob ihm von mir Gefahr droht oder nicht. Als er schließlich von meiner Harmlosigkeit überzeugt war, sprintete er an mir vorbei. Und war verschwunden.