Locations und Ethik in der Naturfotografie
Ich habe es wiederholt erlebt, dass Naturfotografen sehr zurückhaltend sind, wenn es darum geht, Orte zu verraten, an denen man bestimmte Tiere beobachten kann. Lange habe ich gedacht, dass dieses Verhalten in einem gewissen Konkurrenzgedanken seinen Ursprung hat. Ich habe daher darüber nachgedacht, diese Homepage zu nutzen, um in einer interaktiven Karte Naturfotografie-Spots der großen Allgemeinheit zugänglich zu machen.
Allerdings stelle ich nun fest, dass auch ich mich damit schwer tue. Und zwar nicht aus einem Konkurrenzgefühl heraus. Im Gegenteil: Ich fände es total klasse, wenn möglichst viele Menschen über das reine Beobachten oder das Fotografieren entdecken würden, wie wunderbar und schützenswert unsere Natur ist.
Nein, meine Bedenken kommen eher daher, dass wir Menschen die Rückzugsgebiete für unsere Wildtiere schon extrem dezimiert haben. In Deutschland gelten gerade mal 0,6 % der Fläche als echte Wildnis. Alles andere wird mehr oder weniger von uns Menschen genutzt. Das bedeutet für die meisten Tiere ziemlich viel Stress. Wenn ich jetzt den genauen Ort eines Dachsbaus oder das Revier einer anderen seltenen Art preisgebe, habe ich die Befürchtung, dass ein gewisser Tourismus zu der betreffenden Location einsetzt. Das aber würde das Tier möglicherweise so sehr ängstigen oder unter Stress setzen, dass es sich genötigt sieht, seinen Lebensraum zu verlassen, um anderswo eine ruhigere Bleibe zu finden.
Dieser Gedanke bringt mich ganz unweigerlich zur Ethik in der Naturfotografie. Was ist ein noch so schönes Foto wert, wenn es auf Kosten des fotografierten Lebewesens geht? In meinen Augen nichts. Das Ideal der Naturfotografie sollte sein, für die fotografierten Tiere möglichst unsichtbar zu bleiben, sie nicht zu verschrecken oder zu stören. Keine Spuren zu hinterlassen bzw. liegengelassenen Zivilisationsmüll zu beseitigen. Das Ideal der Naturfotografie sollte sein, der breiten Öffentlichkeit nicht nur die Schönheit der Natur und ihrer Lebewesen vor Augen zu führen. Sie sollte vielmehr auch ein Gefühl für den Wert der Natur erzeugen – und den Wunsch, die Natur und ihre Lebewesen vor uns Menschen zu schützen.